Sommer, Sonne, Sandkasten - Mein Urlaub mit Kind

Veröffentlicht am 27. September 2024 um 09:14

Urlaub bedeutet: Erholung, Entspannung vom Alltag, Distanz von der Arbeit, neue Eindrücke, Gemütlichkeit, Ruhezeit und Regeneration, verwöhnen, bedienen lassen, sich etwas gönnen, Auszeit. Alle Kinderlosen wissen das. Alle Eltern schweigen und schmunzeln wahrscheinlich an dieser Stelle. Denn die Wahrheit ist doch folgende: Die Sommerferien sind für Eltern ein Kraftakt. Warum? Wer mehrere Wochen am Stück seine kleinen Kindergartenkinder (ohne die wertvolle Unterstützung von Großeltern) dauerbespaßen und -betreuen muss, der weiß, warum. 

Nach meinem dreiwöchigen Sommerurlaub bin ich jedenfalls erledigt, müde, erschöpft, ausgelaugt, leer und jenseits von mir selbst. Ach so, und: absolut motiviert, wieder arbeiten und den ganz normalen Alltagswahnsinn meistern zu dürfen. Ich möchte damit weder sagen, dass ich mein Kind satt habe, noch möchte ich damit werdenden Müttern und Vätern negative Vibes vermitteln. Ich spreche hier lediglich von der Erfahrung meines Urlaub-Jobs als Mutter. 

Weil ich gern eine möglichst gute Mama sein will und meinem vierjährigen Kind in seinen Ferien so viel wie möglich Action, Abenteuer und Spaß bieten möchte, katapultiere ich mich an den Rand des Spiele-Wahnsinns. Ich kann es nicht mehr hören. Mama, willst du mit mir spielen? Mama, wann spielst du denn mit mir? Mama, bitte spiel mit mir! Every fucking day. Von Montag bis Sonntag. Pausen sind kaum gestattet und werden nur akzeptiert, wenn ein bisschen Fernsehen dabei rausspringt. Kinder sind toll. Und ich liebe nichts mehr, als mein Kind glücklich zu sehen. Aber der Preis ist hoch. Nicht nur, weil ich das Gefühl habe, dass ich zwischen Peppa Wutz, Ninjago, Marvel, Eldorado, Playmobil, Funparks und überfüllten Freibädern verblöde. Nein, dazu kommt noch der bittere Hard-Fact, dass mich diese drei Wochen ein Vermögen gekostet haben. Weil ja im sommerlichen August die Preise für Familienaktivitäten richtig schön ungünstig sind. Super familienfreundlich quasi. Ach, was kostet die Welt, hätte mein verstorbener Vater gesagt. 

Bei dem Gedanken an meine Eltern habe ich mich gefragt: Wie war das eigentlich bei mir damals? In meinen Sommerferien als Kind verbrachte ich die meiste Zeit mit mir selbst. Doch, ernsthaft. Niemand von meinen Eltern hat je mit mir gespielt oder etwas Kindgerechtes unternommen. Das Maximum waren Brettspiele, als ich dann bereits älter war. Aber mit 4 oder 5 Jahren… es existiert keine nennenswerte schöne Erinnerung mehr. Ausgelöscht. Vielleicht, weil das, was stattgefunden hat, nicht der Rede wert gewesen ist? Damals waren Kinder einfach da. Die Frage, wie beschäftige ich mein Kind sinnvoll, war nicht relevant. Heute komme ich mir als Mutter schon komisch vor, wenn ich an einem Tag mal nichts mache. Wenn wir nur daheim sitzen und in den Tag hinein spielen. Die heutige Zeit hat hohe Ansprüche an Eltern. Manchmal scheinen sie mir unerfüllbar. 

Zurück zum Sommerurlaub. Erster Tag. Mein Sohn wird halb sieben wach, weil er so aufgeregt ist. Für den ersten Ferientag habe ich einen Ausflug in die Big City München versprochen inklusive eines Besuchs im Harry Potter Laden, mit dem Versprechen, dass er von seinem Taschengeld etwas kaufen kann. Das geht ja gut los, denke ich mir verschlafen und mache mir den ersten Kaffee von weiteren hundert, die in den kommenden Wochen folgen. Balsam auf meine ausgebrannte Seele, die sich nach Ruhe sehnt. Immerhin, die Sonne gibt alles. Beinahe jeder Tag ist sommerlich warm.

Leider fehlt es mir nun nicht nur an aktiven Großeltern, die gern bereit sind, ihren Enkel mal ein paar Tage zu betreuen (von diesen Geschichten höre ich immer nur), sondern auch an einem Garten mit Pool. Also werfe ich täglich den Blick auf die Wetterprognose und meine lang erstellte Liste kindestauglicher Unternehmungen. Pädagogisch wertvoll natürlich. Dass ganz nebenbei das ein oder andere (überflüssige) Spielzeug gekauft wird… geschenkt. In den Ferien ist alles möglich, für mein Kind. Weniger für mich. Ein Buch lesen? Ein paar Stunden Wellness? Ein Kinoabend mit meinem Mann? Ein paar Stunden chillen auf der Couch? Eine Whiskey-Verkostung? Eine herausfordernde Fahrradtour? Cocktails in einer Bar an einem lauen Sommerabend? Ein Konzertbesuch? Stopp! Nichts von all dem ist möglich. 

Was möglich ist und umgesetzt wird: Mal alle möglichen Freibäder checken und so tun, als wäre man ein gieriger Fress-Hai oder sich hemmungslos vollspritzen lassen im Kinderbecken (wo man sonst eigentlich nicht reingeht), sämtliche Rutschen mit Geschrei und Getöse testen und Hämatome an Armen und Beinen sammeln, einen persönlichen Rekord im Tierluftmatratzenaufblasen aufstellen. Yippie! Ich hasse Freibäder. Hatte ich das schon by the way erwähnt? Egal. Weiter geht’s im lustigen Ferienprogramm. 

Manchmal darf es dann auch ein Ausflug zum See sein. Planung ist alles. Ich stehe also genauso früh auf wie sonst, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Alle möglichen Snacks zusammenpacken und wenn möglich, auch ein paar gesunde, weil die oberkorrekte Mutter in mir das verlangt und weil ich mich besser fühle, wenn ich wenigstens versucht habe, neben Keksen und Chips meinem Kind auch ein paar Apfelstücke und Beeren unterzujubeln. Wenn dann auch alle wichtigen Spielzeuge eingepackt sind, jeder halbwegs satt ist, Wechselklamotten, Handtücher, Sonnencreme, Leckerlis und Wasser für den Vierbeiner, Badeschuhe, Sonnenbrillen und Tempos für irgendwelche Kleckernotfälle eingepackt sind, dann kann es losgehen. Ach nein, immer daran denken: Vor jedem Ausflug das Kind nochmal auf die Toilette zwingen. Auch wenn Kinder vehement abstreiten, zu müssen. Sie müssen immer!

Ausflüge zum See klingen in der Theorie toll. In der Praxis bedeuten sie vor allem erstmal Stress. Denn die vielen Staus, in denen wir stehen, habe ich nicht mit eingeplant. Egal ob Schliersee, Tegernsee oder Chiemsee - gefühlt will anscheinend in den Sommerferien ganz Deutschland an die bayrischen Seen. Ja, das macht Spaß, so im Auto bei 30 Grad Hitze zu sitzen, während mein Sohn mich minütlich fragt, wann wir jetzt endlich da sind und auch bei meinem Mann sich das gut gelaunte Gesicht vom Morgen in ein gesichtsloses Etwas verwandelt. Nach drei Ausflügen dieser Art entscheide ich, dass es jetzt auch mal wieder reicht für eine lange Zeit. An den Seen ist es immer herrlich. Das Wasser ist klar, die Kulisse des Voralpenlandes traumhaft, der Tapetenwechsel tut allen gut. Wenngleich sich Bedürfnisse von vier Individuen unterschiedlichen Alters und Geschlechts sehr voneinander unterscheiden können. Der Zwerg will dauerhaft im Wasser spielen, der Papa irgendwie da sein, wo keine Menschen ihn nerven, die Fellnase will Enten und Vögel jagen und ich… was will ich? Dass alle glücklich sind und einen unvergesslichen Tag erleben. Aber insgeheim will ich einfach nur da mal am Wasser liegen und vor mich hin träumen. Naja, vielleicht ein andermal. 

Denn bevor ich überhaupt zum Denken komme, geht’s schon weiter. Deftige Brotzeit auf einer urigen Alm. Klingt verlockend. Ist aber vor allem eins: Teuer. Dicht gedrängt hocken die hungrigen Wanderer und alle, die es werden wollen, auf Sitzbänken und trinken sich auf die Schnelle eisgekühltes Bier rein. Es ist laut, es ist voll, es ist unerträglich. Es hat vor allem nichts mit bayrischer Gemütlichkeit zu tun. Aber die finde ich in den oberbayrischen Hotspots schon lang nicht mehr. Schon gar nicht im August. Also Augen zu und durch. Meinem Kind zuliebe. Später frage ich mich wieder mal, ob es das alles braucht? An manchen Tagen in den Ferien sitzt mein Sohn auf unserer kleinen Dachterrasse und ist ganz vertieft im Spiel mit seiner Wasserbahn. Das sind die wenigen Momente in meinem Urlaub, wo ich einfach entspannt zuschauen kann und nichts tun muss. 

Ja, es wäre so leicht und günstig. Warum ich mir mit 44 dann noch einen Besuch im Märchenwald gebe? Muttersein ist so erfüllend. Vor allem erfüllt mit dem Drang, außergewöhnliche Augenblicke schenken zu wollen. Mag sein, dass andere Mütter weniger bemüht sind oder gleichgültiger oder lässiger, pragmatischer, egoistischer. Ich jedenfalls fahre natürlich dahin, wo etwas vermeintlich Schönes und Einzigartiges für Kinder geboten wird. Nicht, weil ich so gern das tue, was alle tun (genauso kommt es mir fast vor, als ich ganze vierzig Minuten nach einem Parkplatz in diesem verfluchten Märchenfreizeitpark suchen muss). Nein, ich tue es, weil ich das herzhafteste und ehrlichste Lachen der Welt geschenkt bekomme. Das meines Kindes. Dafür hat es sich gelohnt, drei Wochen in den Sand(-kasten) zu setzen. 

Als der letzte Tag meines Sommerurlaubs anbricht, werde ich sogar wehmütig. Die drei Wochen sind anstrengend gewesen, aber auch erlebnisreich. Mein Befinden schwankt zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Am letzten Tag fahre ich mit meinem Kind nochmal in einen großen Park mit See, Spielplätzen und Grünflächen. Wir beenden unseren Urlaub zu zweit, wie wir ihn begonnen haben. Wir klettern gemeinsam, wir rutschen nochmal zusammen, wir laufen ein bisschen durchs Wasser und sammeln Steine, wir essen das größte Eis, das es zu kaufen gibt und spazieren durch die letzte August-Hitze. Irgendwie sind wir beide erschöpft vom Sommer 2024 und in voller Vorfreude auf den Herbst. Wir träumen vom Kastaniensammeln, von Waldspaziergängen und Drachensteigen. Ich habe großes Glück, denke ich. 

Nach den Ferien ist vor den Ferien. Ich bin meinem Kind zutiefst dankbar, dass es mich täglich herausfordert, von mir abverlangt, über meinen Schatten zu springen, dass es mir zeigt, wie einfach das Leben sein kann und dass ich nochmal Kind sein darf. Meine Kindheit war rückblickend einsam. Ich war zu oft allein und habe wenig mit meinen Eltern zusammen gelacht. Sie hatten keine Zeit. Kinder lachen im Durchschnitt 400mal am Tag. Vierhundertmal! Sie wissen, was Erwachsene längst vergessen haben: Jeder Tag zählt. 

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