Bunt, laut, Karneval. Juhu, verkleiden! Sagt mein Kind voller Begeisterung. Oh nein, lass es schnell vorüber gehen, sagt mein Ich in Gedanken zu mir. Das Ich, das weder Fasching noch laute Kinder mag. Das Ich, das sich hinter der Mutter, die ich täglich mindestens zu 90% sein muss, verbirgt. Ich bin das nicht - kunterbunt fröhlich mit den spaßtrunkenen Narren durch die Gegend laufen. Aber meinem Kind zuliebe mache ich den Faschingsirrsinn in begrenztem Maße mit. So weit ich es ertragen kann und will. Also gehe ich zum Kinderfasching. Yeah. In meinem Leben ohne Kind gab es diese Veranstaltung nicht. In meinem Leben mit Kind wird sie zur Pflicht. Denke ich. Denn manchmal merkt man erst später, dass es manche Dinge gar nicht immer braucht, von denen man glaubt, sie tun zu müssen. Aber dazu später noch mehr.
Ich erwarte den Tag des Kinderfaschings nicht mit Freude. Mein Kind allerdings ist schon ganz aufgeregt. Auch dieses Jahr ist er ein richtig cooler Superheld. Ein geeignetes Werwolfkostüm, das so richtig schön furchteinflößend ist, hab ich leider nicht bekommen. Das war der eigentliche Verkleidungsfavorit. Ein böser Werwolf will ich sein, Mama. Batman ist aber auch ganz nice. Sogar mega super toll. Ich reagiere überschwänglich, als mein Kind the Dark Knight gibt. Wow! Eigentlich finde ich es wirklich niedlich, das Kostüm. Mein kleiner Sohn berührt in seiner ehrlich glücklichen Art wieder mal mein Herz.
Als ich die ersten kostümierten Kinder die Straße entlang laufen sehe, bin ich fast schon ein wenig euphorisch. Man könnte sagen, ich komme in Faschingslaune. Früher, vor dem Mutter-Sein, war ich immer diejenige, die die Stellung hielt in der Arbeit, während sich die anderen feierwütigen Kollegen drei Tage dem Dauerrausch hingaben. Dieses Gefühl, unbedingt Teil einer tanz- und saufgierigen Menge unter Hasen-, Bären- und Clownsmaskeraden sein zu wollen, ging schleichend an mir vorüber. Im Leben als Mama gebe ich mir Mühe, meinem Kind diese Freuden unserer Gesellschaft nicht entgehen lassen zu wollen. Stets bemüht also laufe ich mit meinem Kind zur Kinderfaschingsparty.
Dort angekommen, im heimischen Bürgersaal unserer kleinen überschaubaren Gemeinde, höre und sehe ich erstmal nur Kinder. KINDER! Schreiende, tobende, grölende, lachende, rennende und wild kreischende Kinder. Wie ist das schön, wenn man Sonntagnachmittag umgeben ist von einem Pulk aus Prinzessinnen, Superhelden, Piraten, Käfer, Drachen, Tiger, Cowboys und Schmetterlingen. Das wäre sogar einigermaßen erträglich, wenn sich dazu nicht noch eine Horde kunterbunt angemalter und kostümierter Eltern dazu gesellen würde. Einen kurzen Moment halte ich inne. Es ist der Moment, in dem mein erschrockenes Kind mich fragt, ob wir wieder nach Hause gehen können. Äh, okay. Nun mal ganz langsam ein- und ausatmen. Atmen ist für mich als Mutter doch mitunter manchmal eine Herausforderung. Ich rede von bewusstem Atmen, nicht von Sauerstoff inhalieren. In dem Faschingssaal jedenfalls inhaliere ich eindeutig zu viel Kohlendioxid. Scheiß drauf, denke ich, Augen zu bei dem ganzen Karnevalskitsch und einfach durch. Mein Kind nehme ich mutig an die Hand und sage im fröhlichsten Tonfall, den ich spielen kann: Erstmal schauen wir uns das an, dann gehen wir schon nach Hause. Es wird ganz toll.
Das Gesicht meines Kleinen bleibt trotzdem skeptisch. Er mag es nicht. Zu viele Kinder, zu laute Musik, zu viele fremde Menschen. Wir stehen so da, inmitten von dem ganzen Trubel, Ballons und Konfetti fliegen um uns herum, der DJ animiert die Kinder, zu tanzen und brüllt engagiert ins Mikro. Ich überwinde meinen inneren Schweinehund und schunkele ein bisschen mit. Es ist schon ganz witzig, denke ich, diese ganzen Mütter und Väter, die eine echte Faschingsfreude zu versprühen scheinen. Sie lachen und drehen sich mit ihren Kindern im Kreis. Sie singen mit und wirken dabei sogar authentisch. Wow. Ich bewundere sie, wie sie so ganz und gar aufgehen in ihrem elterlichen Dasein. Gleichzeitig frage ich mich, warum ich ums Verrecken hier keine Mutter sehe, die das ebenso grässlich findet wie ich? Bin ich die einzige Spaßbremse hier? Nein. Mein gar nicht beeindruckter Sohn erinnert mich, dass er das alles noch viel weniger lustig findet als ich. Mama, ich will jetzt lieber nach Hause.
Wieder versuche ich, ihm das alles schön zu reden. Ich zeige ihm hübsche Kinderkostüme, mache ihn auf einige wenige Kinder aufmerksam, die aus seiner Kindergartengruppe da sind (leider natürlich nicht die richtigen) und fordere ihn auf, mit mir ein bisschen zu tanzen. Das will er dann partout eben nicht. Ich weiß nicht, ob ich es gut finden soll oder einfach nur anstrengend. Muss man Kinder zu ihrem Glück zwingen? Ab wann ist es denn Zwang und wo hört Ermutigung auf? Es ist ja nicht so, dass er sich nicht gefreut hatte. Wahrscheinlich hat er etwas anderes erwartet. Und ehrlich gesagt, ich auch. Mit närrischen Eltern hatte ich jedenfalls nicht gerechnet. Ja, mag sein, dass ich naiv oder weltfremd bin. Es ist nur eben nicht meins. Dieses burleske Theater passt nicht zu mir und ohne Kind wäre es gar kein Thema für mich. Spätestens jetzt beneide ich die Mamas, die noch ein oder zwei Geschwisterkind dabei haben. Wie einfach es sein muss, wenn sich die Kinder miteinander in so einer Partygemeinschaft einfügen und zusammen feiern. Mit Einzelkind ist das alles viel schwieriger. Da gibt es keinen Bruder und keine Schwester, die das zurückhaltende Kind mitnehmen ins Abenteuer. Da gibt es nur Mama, die das Beste will, aber möglicherweise nicht immer das Beste erreicht.
Bevor ich weiter in Gedanken verharre, locke ich mein Kind zum Kuchenbuffet. Wenigstens ist das reichlich. Kuchen geht immer. Mit ganz viel Schokolade. Das ist mein Retter. Wir suchen einen Platz an den überfüllten ,vollgekrümelten und verklebten Tischen. Lecker, denke ich angewidert. Mit dem Kuchen ist mein Kind zumindest mal ein paar Minuten beschäftigt. Ich schaue mich um und beobachte das bunte Treiben. Alles geht vorüber, denke ich, auch das. Selten habe ich mich so deplatziert gefühlt. Egal. Wer zwanzig Stunden Wehen übersteht, kann auch Kinderfasching. Jawoll!
Nach dem Kuchen ist bei meinem Kind immer noch keine Faschingslaune eingezogen. Es bleibt dabei, er will lieber gehen. Das sind mir zu viele Kinder, sagt er. Und wer könnte ihn besser verstehen als ich? Trotzdem bleiben wir noch eine Weile und beobachten das wilde Gewusel der Feiernden. Weil ich denke, ich muss ihm das irgendwie toll verkaufen. Als hätte er keine eigenen Gefühle. Warum fällt es mir so schwer, zu akzeptieren, dass es ihm nicht gefällt? Ich erlöse ihn eine Stunde später und wir verlassen die Veranstaltung. Draußen springen wir auf Wiesen herum und genießen den lauwarmen Februartag. Mein Kind lacht wieder und könnte nicht glücklicher aussehen. So einfach ist das. Er rennt in seinem Batman-Kostüm über einen Feldweg entlang und kann beinahe fliegen wie eine Fledermaus. Schau mal, Mama, wie ich fliege. Herrlich. Dafür hat sich der Versuch, Kinderfasching zu feiern, allemal gelohnt. Für immer gehört uns dieser besondere Faschingsmoment.
Was ich daraus lerne ist mehr als ich je hätte in einem Ratgeber lernen können. Jedes Kind ist anders. Mein geliebtes Einzelkind ist noch nicht bereit für große Kinderveranstaltungen. Genauso wenig wie ich es bin. Vielleicht wird er es nächstes Jahr gut finden, vielleicht auch nicht. Ich werde ihn fragen und mir nicht wieder einen Pflichttermin auferlegen, der gar keiner sein muss. Denn das Leben mit einem Kind kann auch ohne Kinderfasching wunderbar lustig sein.
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