Unterwasserwelt ahoi! Warum ein Ausflug ins Aquarium nicht nur Eltern überfordert

Veröffentlicht am 21. Februar 2024 um 10:34

Es ist Winter, Kitas und Schulen sind geschlossen. Zur Freude der Kinder. Ob sich die Eltern darüber immer freuen, bleibt deren offenes Geheimnis. Aber mal ganz unter uns: Dass wir an unseren freien Tagen lieber Wellness als Kinderbespaßung rund um die Uhr hätten, darf ruhig mal ehrlicherweise erwähnt werden. Zumindest mal ganz nebenbei. Ja, wir lieben unsere Kinder. Schon klar. Aber manchmal erinnern wir uns auch gern daran, dass wir uns selbst auch lieben. Ein bisschen wenigstens. Wie auch immer. Ferien und Schließzeiten sind grandios im Winter. Ein ganzes Portfolio an Dingen, die man als Familie tun kann, steht zur Verfügung. Vorausgesetzt, die finanziellen Mittel erlauben es. Aber dazu an anderer Stelle noch mehr. Zuerst einmal überlegen wir, was wir in der kalten und nassen Jahreszeit so schönes Kindertaugliches in zwei Wochen machen können, um unsere kleinen Engel mit den inneren Unzufriedenheits- und Wutdämonen zu beschäftigen und ordentlich auszulasten. 

 

Rodeln ist toll. Aber dazu brauchen wir Schnee. Dumm, dass der meistens nur dann fällt, wenn wir morgens um sieben zur Arbeit fahren müssen. Also ist die Schneeballschlacht auch gleich abgehakt. Bleiben noch Museumsbesuch, Schlittschuhlaufen in der überfüllten Eishalle, Waldspaziergänge und natürlich ein einzigartiger Ausflug ins super mega Aquarium in der nächst größeren Stadt. Das muss es schon mal sein, wenn der Ski-Urlaub in den Alpen wegen Mangel an Skiausrüstung und notwendigem Kleingeld ausfällt. Alle Internetseiten, die Tipps zur Freizeitgestaltung in den Ferien geben, empfehlen solch einen Besuch. Und mein Kind will auch schon so lange mal einen echten Hai sehen. Wie schön, dass wir heutzutage (beinahe) jeden Kinderwunsch wahr werden lassen können. Dem vielfältigen Angebot an familienfreundlichen Aktivitäten sei Dank. 

 

Die Tickets sind schnell gebucht. Oder fast ganz schnell. Denn zuerst einmal trifft mich ein kleiner Schlag, als ich auf der Homepage des Aquariumbetreibers sehe, wie teuer der ganze Familienspaß eigentlich ist. Kurze Schockstarre überkommt mich. Egal. Einmal geht das schon. Winterferien sind ja schließlich nur einmal. Und wenn nicht jetzt, wann dann? Also, gebucht und gezahlt. Wie muss das sein für Eltern, die weniger gut verdienen und sich so etwas nicht mal eben leisten können? Erneut stelle ich fest, wie teuer ein Kind ist. Ich spreche von einem Kind! 

 

Als wir dann am Tag des Ausfluges am Aquarium ankommen, freilich nach einer mühseligen Parkplatzsuche (ups, die Parkplatzgebühren in Großstädten entsprechen inzwischen einer vollwertigen Mahlzeit!), treffen wir am Ort des Erlebnisses auf eine Warteschlange. Trotz Zeitfensterbuchung. Fabelhaft. Das nenne ich eine erfolgreiche Organisation. Zuerst einmal ist Warten. Aber nicht auf Godot, auch wenn sich das möglicherweise ähnlich zäh angefühlt hat. Wir warten darauf, dass wir mit unseren teuer bezahlten Tickets endlich rein dürfen in die Oase der Unterwasserwelt. Gut, dass es windig und kalt ist. Ist super fürs Immunsystem, dieses nicht geplante Abhärten. Mein Mann schaut mich vorwurfsvoll an. Mein Kind zittert und fragt mich im Sekundentakt, wann wir reingehen. Ja, so stelle ich mir einen wundervollen Familienausflug vor. Ich setze mein optimistisches Lächeln auf. Ich erinnere mich dabei an den Ausdruck „Bei der Stange halten“. Das tue ich gerade mit den beiden. Es funktioniert überhaupt nicht. 

 

Als wir endlich drin sind, am Empfang, damit wir unsere Tickets zeigen dürfen, treffen wir auf einen Pulk von nölenden und hustenden Kindern, deren Eltern mit zerzausten Haaren und offenen Parkas durch die Gegend hetzen. Wer nochmal auf Toilette muss, muss jetzt gehen! Drinnen geht das nicht mehr! Das sagt uns der abgestumpfte und wahrscheinlich kinderlose Typ am Empfang. Ja klar. Kein Problem mit einem 4 jährigen Kind. Die steuern super gut, wann sie aufs Klo müssen. Innerlich fahre ich Achterbahn. Ruhig bleiben. Mein Mann fragt, wie lang das hier alles dauert. Äh, ja. Genau. Am liebsten würde ich antworten: Bis es vorbei ist. Stattdessen lüge ich: Nicht so lang. Denn egal, wie lang es dauert, es ist zu lang für die Nerven halbwegs gebildeter Erwachsener. 

 

Als ich mein Kind anschaue, erkenne ich keine Begeisterung. Das Aquarium ist übervoll. Aus allen Ecken schreien Kinder und rennen rücksichtslos umher. Zeit, um Korallenriffe, farbenfrohe Fische und faszinierende Tropentiere zu erleben… von wegen! Wir müssen uns durch Menschenaufläufe in kleinen dunklen Gängen kämpfen. Wie gut, dass draußen ganz fett und groß geschrieben steht: Keine Kinderwägen und Buggys in den Ferien! Wenn alle lesen und Rücksicht nehmen könnten, wäre das eine wunderbare kollegiale Sache. Scheiß drauf! Überall werden Kinderwägen durchgepfercht. Können Kinder neuerdings nicht mehr laufen, frage ich mich? Und warum schiebt man da die halbe Wohnung vor sich hin? Decken, Jacken, Mäntel, Pullis, Spielzeug, Brotdosen, Flaschen, Schuhe… du lieber Himmel. Denken einige vielleicht, sie tauchen ab? Mir ist jedenfalls schon jetzt danach. Zum Abtauchen. Mein Mann und ich schauen uns an und zählen im Geiste gemeinsam die Minuten runter. Willkommen in der Hölle. 

 

Wir bewegen uns von einer Station zur nächsten. Meinem Kind erkläre ich eindrucksvoll, was als nächstes kommt. Schau mal da, die Quallen, die Fische in unseren heimischen Flüssen, die Korallenhöhle mit den Nemo-Brüdern, ein Hai-Ei zum Anfassen, die getigerten Rochen in der Mittelmeerwelt und schau hier, die süßen Seepferdchen. Schau doch! Ich tue, was alle Eltern hier drin übermotiviert tun: Ihrem Kind möglichst alles, was es zu sehen gibt, ganz deutlich zeigen. Gut, ich unterlasse das wilde Klopfen an den Scheiben, wie das einige Eltern bedenkenlos ihren Kindern vormachen und sich nicht mal dafür schämen. Soll das eine Art Kommunikation werden oder wieso haut man neuerdings mit den Handflächen gegen Glasscheiben und erschrickt die ohnehin verstörten Wassertiere? Ich verstehe es nicht. Während sich etwas ältere Kinder noch begeistern für den ein oder anderen Fisch, stehen die Kleineren eher überfordert herum. Mein Kind stiert lieber auf den Fruchtriegel, das ein anderes Kind isst, anstatt auf das belanglose Umherkreisen der Fischschwärme. Andere schreien ganz herzzerreißend vor lauter Übermüdung. Hach, wie ist das schön, wenn man für sein Geld was geboten bekommt. 

 

Mama, ich will jetzt nach Hause! Wir sind ungefähr zwanzig Minuten in der magischen Unterwasserwelt. Stich ins Mutterherz. Ich schaue meinen Mann an und sage halblaut: Versuchen wir, eine Stunde zu bleiben. Damit es sich wenigstens etwas gelohnt hat. Weiter geht es also mit egoistischem Drängeln und mehr oder weniger sanften Ellenbogenhieben. Mein persönliches Highlight ist nicht der Glastunnel mit den Haien, der vom Betreiber großspurig überall angepriesen wird. Sondern vielmehr die schmutzige Handtasche irgendeiner Mutter in meinem Gesicht. Gut, wenn Papa etwas kräftiger gebaut ist und ordentlich zur Seite schieben kann. 

 

Immerhin, wir haben grandiose Aussichten auf eine Moräne und verschiedene Arten von Haien. Ich bin ein ganz klein wenig fasziniert in einem Moment, als ich einem dieser Wasserlebewesen direkt in die Augen schauen kann. Schon cool. Mein Kind findet das allerdings weniger. Mama, wo ist der Hai? Äh… na hier überall, antworte ich verdutzt. Nein, Mama, ich meine den richtigen Hai. Der große weiße Hai! Ach so. Ja. Der passt leider nicht hier rein. Dabei stellt sich mir die Frage des Tages: Was vermittele ich hier eigentlich meinem Kind? Dass in unserem Leben immer alles zur Verfügung steht? Dass wir einfach in einen Glaskasten gehen müssen, wenn wir einen Raubfisch sehen wollen? Einfach, weil uns danach ist? Mitnichten. 

 

War’s das jetzt gewesen? Nein, noch schnell einen Abstecher in die Tropenwelt. Und zwischendrin, zwischen Schildkrötengekrabbel, erschrocken schauenden Chamäleons und Besuchergewusel, finden sich spielerische Mitmachstationen für alle Kids. Schön zum Anfassen, Herumdrücken und Anspucken. Marode und in die Jahre gekommen. Ich frage mich, wann hier zuletzt mal investiert wurde? Wie viele Millionen Kinderhände haben das alles berührt? Wirklich gar nicht geil. Unauffällig schleuse ich mein Kind jedes Mal daran vorbei. Für alle Kopfschüttler: Nein, verpasst haben wir damit nichts.

 

Kurz vor Ende des lehrreichen Rundgangs finden wir uns am Fotopoint wieder. Darf es ein super schönes Familienfoto sein, mit Fischen im Hintergrund? Damit auch jeder im Verwandten- und Bekanntenkreis sehen kann, was wir Tolles gemacht haben. Kostet nur nochmal so viel wie das Parken. Besten Dank! Wir ignorieren dieses freundliche Angebot und gehen weiter. Die Höchststrafe kommt aber noch. Der Souvenirshop. Wem jetzt noch keine Fischschuppen von den Augen fallen, dem möge die grenzenlose Kinderliebe beistehen. Nach einer ganzen Stunde Kindergeschrei, Gafferei und Massengeschubse stehen wir mittendrin und sehen uns dem elterlichen Zugzwang ausgesetzt, inmitten von Fängen kapitalistischer Geldeintreiber und haben-wollender Kinderaugen, hier an Ort und Stelle etwas Überteuertes kaufen zu müssen. Das Einzige, was mich jetzt noch retten kann, ist mein schnelles Handeln. Einen kleinen Rochen aus Hartgummi schnappen, bezahlen und raus dann aus diesem gierigen Fischernetz. Und endlich sehe ich Freude in den Augen meines Kindes. Nun, das hätte ich einfacher haben können. 

 

Mein Fazit dieses Ausflugs ist: Den hätte es nicht gebraucht. Aber wie alle Eltern sind wir in die Falle getappt. Ich jedenfalls empfehle allen Müttern und Vätern, sich diese Art von Unternehmung zu ersparen. Wohl wissend, sie werden es doch alle tun. Einfach weil. Na dann: Viel fischiges Vergnügen! 

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